Return of the Nobber
Wo soll ich anfangen? Keine Ahnung, Herr Wachmeister, ehrlich. Vielleicht mit dem Verschwinden der Pornos meines Mitbewohners? Nein, das würde Sie nur verwirren. Vielleicht erzähle ich von Anfang an.
Schon klar, schon klar. Nur die Fakten. Aber echt, ich muss etwas weiter ausholen, sonst verstehen Sie es nicht wirklich.
Darf ich eine rauchen? Danke. Also, wie ich schon sagte, wohnte ich in der Hafenstrasse. Sie wissen schon, wo das ganze Pack haust. Junkies, Dealer, Schlampen…Sie waren schon dort? Hätte ich mir denken können. Ich meine, wegen Ihres Berufes und so. Nicht, das Sie mich falsch verstehen. Wie? Nein, Herr Wachtmeister, ich hatte mit denen nichts zu tun. Die Wohnung war billig, und meine Mitbewohner waren ganz in Ordnung, und ich hatte ein eigenes Zimmer. Also, in der Wohnung über uns wohnte damals noch ein…Tut mir leid, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…eine behinderte Person? Geistig, meine ich. Die meiste Zeit war er ganz normal, also, wenn ich normal sage, dann meine ich: Normal für den Wohnblock. Wenn der neben einem saß, dann stank es furchtbar nach einem Teppich in einem Haus voller aufgeregter junger Hunde, wenn Sie wissen, was ich meine. Und er hatte einen Geburtsfehler oder so. Keine Ahnung, irgendwas mit seiner Kehle. Hat immer durch die Nase gesprochen, wegen seiner Stimmbänder oder so was. Jedenfalls, ich war einmal in seiner Wohnung, und glauben sie mir: Das Wort messy sagt nicht einmal die Hälfte. Dann hörten wir, also meine Mitbewohner und ich, von der Sache mit den Kindern.
Kann ich so genau nicht sagen, Herr Wachtmeister. Waren ja nur Gerüchte, noch dazu ziemlich lächerliche. Angeblich hat er es mit kleinen Kindern getrieben. Nicht, das das lächerlich wäre. Aber danach soll er sie gefressen haben, und ich bitte Sie: Ich habe neben ihm gesessen, und abgesehen vom Geruch und dem Näseln, ganz zu schweigen davon, wie dreckig er war, war der Nobber ganz in Ordnung. So haben wir ihn genannt. Nobber. Oder NobNob oder Manga-Nob. Deswegen war er immer bei uns. Hat sich Manga-Pornos von einem Kollegen gebrannt, auf Einweg-CDs, und dann war er schon wieder oben in seinem Loch und hat wer weiß was damit gemacht, aber kleine Kinder fressen? Ich meine, vergewaltigen, möglicherweise; aber fressen? Egal, zum Glück zog er dann aus, in so eine Wellblechhütte am Stadtrand, im Jahrmarktsghetto. Dachten wir. Doch dann fing es an.
Zuerst kam niemand, um das Loch oben zu räumen. Wir dachten uns, dass das eh keine angenehme Arbeit sein könnte, und man es wohl so lange wie möglich aufschieben wolle. Dann hörten wir nachts seltsame Geräusche aus der Wohnung über uns.
Ratten, dachten wir. Und dann verschwanden die Pornos von Joe. Von uns kann es niemand gewesen sein, weil niemand von uns was für den Müll übrig hat. Außer dem Nobber. Und Joe, natürlich. Und als dann Joe selbst verschwand, liefen wir zum Wohnwagen vom Nobber.
Ja, genau. Wir glaubten, dass der Nobber sich Joe geschnappt hat. Und seine Pornos. Von seinem Sohn ganz abgesehen. Hatte ich das noch nicht erwähnt? Sein Sohn war zu Besuch, als es passierte. Als Joe verschwand, meine ich. Und sein Sohn.
Entschuldigung, dürfte ich noch eine rauchen? Sehr freundlich. Die Nerven, Sie verstehen? Hatte eigentlich aufgehört mit dem Rauchen. Aber das war einfach zuviel für mich. Ja, richtig, der Sohn seiner geschiedenen Frau. Sam. So hieß der Junge, nicht die Frau. Die heißt Susanne oder so. Habe ich nie wirklich kennen gelernt. Wie auch immer, wir standen also zu Viert vor dem Wohnwagen des Nobbers und die Tür war auf. Mein Kumpel Dan ging als erster hinein. Er fand auch gleich die Pornos, aber das war uns im Moment herzlich egal. Dann entdeckte er, unter echt fiesem Müll in Plastiktüten, das hat gestunken, sage ich Ihnen, die Falltür. Ja, genau, so eine Tür im Boden des Wohnwagens. Dan hat sie dann todesmutig aufgerissen, und dann packte ihn etwas und zog ihn nach unten. Wir standen wie angewurzelt, keiner bewegte sich. Dann ging ich vorsichtig zu der Luke und habe hineingeschaut. Unter dem Wohnwagen gab es einen Zugang zum Abwasserkanal, er stand offen. Erst haben wir mit einer Gaspistole Leuchtkugeln nach unten geschossen, dann sind wir runter. Mann, das war vielleicht unheimlich, sage ich Ihnen. Es stank erbärmlich da unten, nach toten Tieren und Pisse. Entschuldigung, aber ein anderes Wort dafür fällt mir beim besten Willen nicht ein. Es roch nach alter, trockener und vergammelter Pisse. Ich sage Ihnen, das kam nicht vom Abwasser. Einen Schluck Abwasser würde ich jederzeit einer Nase voll Eau de Nob vorziehen. Aber wenigstens konnten wir so den Weg nicht verfehlen. Wir sind dann dem Geruch nachgegangen, bis in so eine Höhle, wo das Wasser von den Wänden tropft und man kaum die Hand vor Augen sieht, wegen des Nebels. Es roch wie in einer Sauna voller alter Unterhosen. Ein Stöhnen im Dunkel wies uns dann den Weg zu Joe. Nun, es war kaum noch was übrig von ihm. Irgendetwas hatte ihn angefressen. Er blutete aus mehreren Wunden, die auch schwarze Ränder hatten und furchtbar stanken. Er bekam kaum noch ein verständliches Wort heraus, hustete immer wieder Blut und Knochen. Dachte bisher immer, das sei nur `ne Redensart. Dann ist er vor unseren Augen verreckt. Wir haben ihn dann losgebunden und hingelegt. Ja, genau wie die Spurensicherung ihn vorgefunden hat. Was weiter? Augenblick, ich brauche noch eine Zigarette. Haben Sie vielleicht auch was Starkes für die Nerven? Cognac oder so? Nein? Schade.
Nun, wir waren erst einmal reichlich erschüttert und standen nur in der muffigen Finsternis herum. Dann hörten wir das Geräusch. Irgendwie krass unheimlich, eine art hohes Kichern. Nee, ich mach mich doch jetzt nicht zum Obst. Das Lachen kann ich nicht nachahmen. Es klang wie…kennen Sie sich mit Fantasyromanen oder Mythologie aus? Schon mal von Sirenen gehört? Ich meine nicht die auf Ihren Autos, sondern von diesen Meerjungfrauen, die Männer fressen. Nein, wirklich. Ich nehme keine Drogen. Sirenen locken einen mit ihrem Gesang, und wenn man dann Nah genug dran ist, schnappen sie einen, und ZACK! Entschuldigung. Also, Sie wissen, was ich sagen will. Jedenfalls, dieser Gesang war nicht nur abstoßend, sondern sogar dermaßen widerlich, das er schon wieder verlockend wirkte. Ich weiß nicht, jedenfalls die Kumpels und ich empfanden das so. Also dachten wir uns, wenn der Gestank uns schon nicht weiterhilft, unsere Nasen waren schon taub, wissen Sie; dann folgen wir eben dem Gesang. Wir wollten ja immer noch wissen, was aus dem kleinen Sam geworden war. Er hätte ja noch gerettet werden können. Also liefen wir los, und nach mehreren Ecken standen wir dann in der Kammer. Und hier hätte es mich fast erwischt. Licht? Wir hatten Fackeln. Taschenlampen? Nee, wenn sie einen bösen Geist oder einen Dämonen ausräuchern wollen, braucht man traditionell Fackeln. Taschenlampen und Laternen benutzt man nur bei Schmugglern oder Zombies. Obwohl bei denen auch Fackeln helfen. Nein, ich verarsche Sie nicht. Ich lese viel. Soll ich nun weiter erzählen, oder wollen wir die Mythologie durchgehen? Gut. Also wie wir so um die Ecke kommen, stürzt sich ein entfernt menschenähnliches Etwas auf mich und haut mich um. Wie Es aussah? Haben Sie eine Ahnung, wie schnell das ging? Na gut. Mein erster Eindruck war der einer Schaufensterpuppe, die jemand aus Leichenteilen zusammengenäht hat. Mit dicken Fäden. Lederriemen vielleicht. Nein, verdammt, ich nehme keine Drogen. Sie haben ja schließlich gefragt. Also, dieses Ding lag auf mir und hat gekreischt wie…Mann, wie man sich so eine Sirene halt vorstellt. Fies hohe Töne eben, so das die Ohren wehtun, und überall leckt und saugt sie sich fest. Im Ernst, ich fühlte mich wie bei einem Gangbang-Porno in der Startszene. Zum Glück hat Bert mich dann gerettet. Er hat sie mit der Baseballkeule von mir runtergeholt. Sauber ins Gesicht, aber das Teil stand wieder auf und warf sich auf ihn. Auf Bert, meine ich. Der Anblick war nicht besser als zuvor bei mir, wirklich. Durch den Schlag war ihre linke Gesichtshälfte nur noch Brei, was sie aber kaum zu stören schien. Dann hat sie sich in ihn gekrallt und ihm den Hals durchgebissen. Alle Anderen, mich eingeschlossen, mussten sich umdrehen und kotzen, was die Atmo-sphäre auch nicht angenehmer machte. Und dann sah es so aus, als ob sie mit ihm…Naja…Sex haben wollte. Woher ich das weiß? Weil sie ihm die Hose aufgerissen und sich draufgesetzt hat. Aber bevor sie weitermachen konnte, habe ich mir den Schläger geholt und sie von ihm herunter. Diesmal an den Hinterkopf, und das schien zu wirken, denn sie sackte zusammen und bewegte sich nicht mehr. Ich sage hier bewusst sie, weil, die Nummer mit der Hose und dann die Stimme…egal.
Danke für die Zigaretten, aber warum haben Sie einen Arztkittel an? Ah ja, Blutabnahme. Muss das jetzt sein? Ich meine, Blut? Davon habe ich erstmal genug. Weitererzählen, um mich abzulenken? Glauben Sie mir immer noch nicht, mit den Drogen, meine ich? Na schön, machen sie ruhig.
Also, diese…Puppe war hinüber. Nach einer vorsichtigen Inspektion der sichtbaren Teile kamen wir zu dem Schluss, das es eine art Sex-Puppe sein musste. Eine lebendige, meine ich. Daher wahrscheinlich die ganzen fertigen Mangas, haben ihm sicherlich den Restverstand kaputtgemacht. Wirklich, so eine fertige Schlampe habe ich noch nie gesehen. Und ob Sie’s glauben oder nicht, wir wussten irgendwie, dass sie gebaut worden war. Ja, genau, wie in den alten Frankensteinfilmen.
Autsch! Ja, schon gut. Sie hätten mich auch vorwarnen können. Wirklich. Ja, ich erzähl’ ja schon.
Also, Bert war tot, und Slim, Kay und ich standen völlig fertig in der Kammer, als plötzlich die Türen zugingen und wir gefangen waren. Und dann gingen die Fackeln aus, wäre doch eine gute Idee gewesen, von wegen Taschenlampen und so, und wir standen im Dunkeln. Plötzlich ging eine der Türen auf und wieder zu, und Kay war fort. Dann ging das Licht an, und mit uns im Raum waren zwei weitere Puppen. Die waren aber anders als die Erste. Besser gebaut. Menschlicher, wollte ich sagen.
Weniger Nähte und mehr lebensecht, sie verstehen. Aber immer noch deutlich als Puppe zu erkennen.
Darf ich schon wieder rauchen? Wegen der Blutabnahme? In Ordnung, danke.
Also, diese Puppen griffen uns an, sie wissen schon, wollten uns an die Hose und uns wahrscheinlich fressen, wie den armen Bert. Ich habe meine nach einigen furchtbaren Minuten mit meinem Baseballschläger kaputtgemacht, und Slim hat seine mit einer Reservefackel angesteckt und sie mit einer ausgebrannten niedergeprügelt. Dann sind wir durch ein Gitter in der Kammerdecke an die Oberfläche entkommen. Wir waren im Hinterhof unseres Wohnblocks, und da es schon dunkel war, haben wir den Schacht so leise wie möglich mit dem Sperrholz vom Nachbarn gefüllt und ein paar Sack Zement hinein-gekippt. Damit er da nicht herauskommt. Der Nobber, meine ich.
Ja, ich weiß, dass das eine Straftat war, die dem Stadtetat zusetzen wird. Aber Sie müssen unsere Panik verstehen. Wenn wir gekonnt hätten, hätten wir alle Kanalöffnungen dichtgemacht. Und die werden ja sowieso nicht mehr wirklich genutzt.
Schon gut, ich weiß. Darüber wird verhandelt, wenn es soweit ist.
Wie auch immer. Die nächsten Wochen waren ruhig. Slim und ich haben nicht darüber geredet, über das, was wir gesehen haben. Und jetzt wird es noch viel unglaublicher. Ja, im Ernst. Sie brauchen gar nicht zu lachen.
Wir bekamen Besuch von zwei Mädchen, die mit uns im Block wohnten. Nee, die haben wir vorher nicht so wirklich gekannt.
Nur vom Sehen. Also die kamen vorbei und faselten von Angst haben und nicht alleine sein wollen. Ich fragte sie, wovor sie Angst hatten, und sie sagten: vor einem hässlichen, buckligen, stinkenden Mann, der sie im Park verfolgt hatte. Die Beschreibung passte auf den Nobber, also haben wir die Mädels aufgenommen. Wir mussten allerdings feststellen, dass die Frauen ebenfalls vom Nobber kamen. Und sie sahen menschlich aus. Bis zu einem gewissen Punkt sogar attraktiv. Sie haben Slim erwischt, als ich gerade einkaufen war. Ich kam zurück und fand Slim in der Küche. Und im Bad und im Wohnzimmer.
Dann kamen sie aus einer dunklen Ecke auf mich zugesprungen und ich bin geflüchtet. Direkt in die Arme der Polizei. Wie Sie ja wissen.
Ja, die beiden sahen aus wie Frauen halt aussehen. Nur das normale Frauen einen nicht auffressen, wenn sie mit einem fertig sind. Ja, ich möchte diese Aussage so stehen lassen.
Und ich sage Ihnen folgendes: Der Nobber ist wieder da und er schleust überall seine Sexpuppen ein. Wenn Sie abends in der Bar von einer Frau angesprochen werden, halten Sie besser nach irgendwelchen verborgenen Nähten Ausschau.
Ich weiß, was ich gesehen habe. Und glauben Sie mir, ich kann es selbst kaum fassen. Ob ich der Täter bin?
Ja, klar. Dachte mir schon, dass es darauf hinausläuft. Nein, verdammt, ich habe meine Freunde nicht umgebracht und wahnsinnige Sexmonster hergestellt. Sehen Sie sich die Kanalisation an. Dort werden Sie einiges an Antworten finden.
Wie, ich werde abgeführt? Warum? Na schön. Im Knast kriegt der Nobber mich wenigstens nicht. Meinetwegen sitze ich auch ein paar Monate in der Klapse, bekomme Drogen und freundliche Leute, die auf mich aufpassen. Alles ist besser, als da draußen zu sein und den Nobber hinter sich zu wissen.
ZED
Schon klar, schon klar. Nur die Fakten. Aber echt, ich muss etwas weiter ausholen, sonst verstehen Sie es nicht wirklich.
Darf ich eine rauchen? Danke. Also, wie ich schon sagte, wohnte ich in der Hafenstrasse. Sie wissen schon, wo das ganze Pack haust. Junkies, Dealer, Schlampen…Sie waren schon dort? Hätte ich mir denken können. Ich meine, wegen Ihres Berufes und so. Nicht, das Sie mich falsch verstehen. Wie? Nein, Herr Wachtmeister, ich hatte mit denen nichts zu tun. Die Wohnung war billig, und meine Mitbewohner waren ganz in Ordnung, und ich hatte ein eigenes Zimmer. Also, in der Wohnung über uns wohnte damals noch ein…Tut mir leid, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…eine behinderte Person? Geistig, meine ich. Die meiste Zeit war er ganz normal, also, wenn ich normal sage, dann meine ich: Normal für den Wohnblock. Wenn der neben einem saß, dann stank es furchtbar nach einem Teppich in einem Haus voller aufgeregter junger Hunde, wenn Sie wissen, was ich meine. Und er hatte einen Geburtsfehler oder so. Keine Ahnung, irgendwas mit seiner Kehle. Hat immer durch die Nase gesprochen, wegen seiner Stimmbänder oder so was. Jedenfalls, ich war einmal in seiner Wohnung, und glauben sie mir: Das Wort messy sagt nicht einmal die Hälfte. Dann hörten wir, also meine Mitbewohner und ich, von der Sache mit den Kindern.
Kann ich so genau nicht sagen, Herr Wachtmeister. Waren ja nur Gerüchte, noch dazu ziemlich lächerliche. Angeblich hat er es mit kleinen Kindern getrieben. Nicht, das das lächerlich wäre. Aber danach soll er sie gefressen haben, und ich bitte Sie: Ich habe neben ihm gesessen, und abgesehen vom Geruch und dem Näseln, ganz zu schweigen davon, wie dreckig er war, war der Nobber ganz in Ordnung. So haben wir ihn genannt. Nobber. Oder NobNob oder Manga-Nob. Deswegen war er immer bei uns. Hat sich Manga-Pornos von einem Kollegen gebrannt, auf Einweg-CDs, und dann war er schon wieder oben in seinem Loch und hat wer weiß was damit gemacht, aber kleine Kinder fressen? Ich meine, vergewaltigen, möglicherweise; aber fressen? Egal, zum Glück zog er dann aus, in so eine Wellblechhütte am Stadtrand, im Jahrmarktsghetto. Dachten wir. Doch dann fing es an.
Zuerst kam niemand, um das Loch oben zu räumen. Wir dachten uns, dass das eh keine angenehme Arbeit sein könnte, und man es wohl so lange wie möglich aufschieben wolle. Dann hörten wir nachts seltsame Geräusche aus der Wohnung über uns.
Ratten, dachten wir. Und dann verschwanden die Pornos von Joe. Von uns kann es niemand gewesen sein, weil niemand von uns was für den Müll übrig hat. Außer dem Nobber. Und Joe, natürlich. Und als dann Joe selbst verschwand, liefen wir zum Wohnwagen vom Nobber.
Ja, genau. Wir glaubten, dass der Nobber sich Joe geschnappt hat. Und seine Pornos. Von seinem Sohn ganz abgesehen. Hatte ich das noch nicht erwähnt? Sein Sohn war zu Besuch, als es passierte. Als Joe verschwand, meine ich. Und sein Sohn.
Entschuldigung, dürfte ich noch eine rauchen? Sehr freundlich. Die Nerven, Sie verstehen? Hatte eigentlich aufgehört mit dem Rauchen. Aber das war einfach zuviel für mich. Ja, richtig, der Sohn seiner geschiedenen Frau. Sam. So hieß der Junge, nicht die Frau. Die heißt Susanne oder so. Habe ich nie wirklich kennen gelernt. Wie auch immer, wir standen also zu Viert vor dem Wohnwagen des Nobbers und die Tür war auf. Mein Kumpel Dan ging als erster hinein. Er fand auch gleich die Pornos, aber das war uns im Moment herzlich egal. Dann entdeckte er, unter echt fiesem Müll in Plastiktüten, das hat gestunken, sage ich Ihnen, die Falltür. Ja, genau, so eine Tür im Boden des Wohnwagens. Dan hat sie dann todesmutig aufgerissen, und dann packte ihn etwas und zog ihn nach unten. Wir standen wie angewurzelt, keiner bewegte sich. Dann ging ich vorsichtig zu der Luke und habe hineingeschaut. Unter dem Wohnwagen gab es einen Zugang zum Abwasserkanal, er stand offen. Erst haben wir mit einer Gaspistole Leuchtkugeln nach unten geschossen, dann sind wir runter. Mann, das war vielleicht unheimlich, sage ich Ihnen. Es stank erbärmlich da unten, nach toten Tieren und Pisse. Entschuldigung, aber ein anderes Wort dafür fällt mir beim besten Willen nicht ein. Es roch nach alter, trockener und vergammelter Pisse. Ich sage Ihnen, das kam nicht vom Abwasser. Einen Schluck Abwasser würde ich jederzeit einer Nase voll Eau de Nob vorziehen. Aber wenigstens konnten wir so den Weg nicht verfehlen. Wir sind dann dem Geruch nachgegangen, bis in so eine Höhle, wo das Wasser von den Wänden tropft und man kaum die Hand vor Augen sieht, wegen des Nebels. Es roch wie in einer Sauna voller alter Unterhosen. Ein Stöhnen im Dunkel wies uns dann den Weg zu Joe. Nun, es war kaum noch was übrig von ihm. Irgendetwas hatte ihn angefressen. Er blutete aus mehreren Wunden, die auch schwarze Ränder hatten und furchtbar stanken. Er bekam kaum noch ein verständliches Wort heraus, hustete immer wieder Blut und Knochen. Dachte bisher immer, das sei nur `ne Redensart. Dann ist er vor unseren Augen verreckt. Wir haben ihn dann losgebunden und hingelegt. Ja, genau wie die Spurensicherung ihn vorgefunden hat. Was weiter? Augenblick, ich brauche noch eine Zigarette. Haben Sie vielleicht auch was Starkes für die Nerven? Cognac oder so? Nein? Schade.
Nun, wir waren erst einmal reichlich erschüttert und standen nur in der muffigen Finsternis herum. Dann hörten wir das Geräusch. Irgendwie krass unheimlich, eine art hohes Kichern. Nee, ich mach mich doch jetzt nicht zum Obst. Das Lachen kann ich nicht nachahmen. Es klang wie…kennen Sie sich mit Fantasyromanen oder Mythologie aus? Schon mal von Sirenen gehört? Ich meine nicht die auf Ihren Autos, sondern von diesen Meerjungfrauen, die Männer fressen. Nein, wirklich. Ich nehme keine Drogen. Sirenen locken einen mit ihrem Gesang, und wenn man dann Nah genug dran ist, schnappen sie einen, und ZACK! Entschuldigung. Also, Sie wissen, was ich sagen will. Jedenfalls, dieser Gesang war nicht nur abstoßend, sondern sogar dermaßen widerlich, das er schon wieder verlockend wirkte. Ich weiß nicht, jedenfalls die Kumpels und ich empfanden das so. Also dachten wir uns, wenn der Gestank uns schon nicht weiterhilft, unsere Nasen waren schon taub, wissen Sie; dann folgen wir eben dem Gesang. Wir wollten ja immer noch wissen, was aus dem kleinen Sam geworden war. Er hätte ja noch gerettet werden können. Also liefen wir los, und nach mehreren Ecken standen wir dann in der Kammer. Und hier hätte es mich fast erwischt. Licht? Wir hatten Fackeln. Taschenlampen? Nee, wenn sie einen bösen Geist oder einen Dämonen ausräuchern wollen, braucht man traditionell Fackeln. Taschenlampen und Laternen benutzt man nur bei Schmugglern oder Zombies. Obwohl bei denen auch Fackeln helfen. Nein, ich verarsche Sie nicht. Ich lese viel. Soll ich nun weiter erzählen, oder wollen wir die Mythologie durchgehen? Gut. Also wie wir so um die Ecke kommen, stürzt sich ein entfernt menschenähnliches Etwas auf mich und haut mich um. Wie Es aussah? Haben Sie eine Ahnung, wie schnell das ging? Na gut. Mein erster Eindruck war der einer Schaufensterpuppe, die jemand aus Leichenteilen zusammengenäht hat. Mit dicken Fäden. Lederriemen vielleicht. Nein, verdammt, ich nehme keine Drogen. Sie haben ja schließlich gefragt. Also, dieses Ding lag auf mir und hat gekreischt wie…Mann, wie man sich so eine Sirene halt vorstellt. Fies hohe Töne eben, so das die Ohren wehtun, und überall leckt und saugt sie sich fest. Im Ernst, ich fühlte mich wie bei einem Gangbang-Porno in der Startszene. Zum Glück hat Bert mich dann gerettet. Er hat sie mit der Baseballkeule von mir runtergeholt. Sauber ins Gesicht, aber das Teil stand wieder auf und warf sich auf ihn. Auf Bert, meine ich. Der Anblick war nicht besser als zuvor bei mir, wirklich. Durch den Schlag war ihre linke Gesichtshälfte nur noch Brei, was sie aber kaum zu stören schien. Dann hat sie sich in ihn gekrallt und ihm den Hals durchgebissen. Alle Anderen, mich eingeschlossen, mussten sich umdrehen und kotzen, was die Atmo-sphäre auch nicht angenehmer machte. Und dann sah es so aus, als ob sie mit ihm…Naja…Sex haben wollte. Woher ich das weiß? Weil sie ihm die Hose aufgerissen und sich draufgesetzt hat. Aber bevor sie weitermachen konnte, habe ich mir den Schläger geholt und sie von ihm herunter. Diesmal an den Hinterkopf, und das schien zu wirken, denn sie sackte zusammen und bewegte sich nicht mehr. Ich sage hier bewusst sie, weil, die Nummer mit der Hose und dann die Stimme…egal.
Danke für die Zigaretten, aber warum haben Sie einen Arztkittel an? Ah ja, Blutabnahme. Muss das jetzt sein? Ich meine, Blut? Davon habe ich erstmal genug. Weitererzählen, um mich abzulenken? Glauben Sie mir immer noch nicht, mit den Drogen, meine ich? Na schön, machen sie ruhig.
Also, diese…Puppe war hinüber. Nach einer vorsichtigen Inspektion der sichtbaren Teile kamen wir zu dem Schluss, das es eine art Sex-Puppe sein musste. Eine lebendige, meine ich. Daher wahrscheinlich die ganzen fertigen Mangas, haben ihm sicherlich den Restverstand kaputtgemacht. Wirklich, so eine fertige Schlampe habe ich noch nie gesehen. Und ob Sie’s glauben oder nicht, wir wussten irgendwie, dass sie gebaut worden war. Ja, genau, wie in den alten Frankensteinfilmen.
Autsch! Ja, schon gut. Sie hätten mich auch vorwarnen können. Wirklich. Ja, ich erzähl’ ja schon.
Also, Bert war tot, und Slim, Kay und ich standen völlig fertig in der Kammer, als plötzlich die Türen zugingen und wir gefangen waren. Und dann gingen die Fackeln aus, wäre doch eine gute Idee gewesen, von wegen Taschenlampen und so, und wir standen im Dunkeln. Plötzlich ging eine der Türen auf und wieder zu, und Kay war fort. Dann ging das Licht an, und mit uns im Raum waren zwei weitere Puppen. Die waren aber anders als die Erste. Besser gebaut. Menschlicher, wollte ich sagen.
Weniger Nähte und mehr lebensecht, sie verstehen. Aber immer noch deutlich als Puppe zu erkennen.
Darf ich schon wieder rauchen? Wegen der Blutabnahme? In Ordnung, danke.
Also, diese Puppen griffen uns an, sie wissen schon, wollten uns an die Hose und uns wahrscheinlich fressen, wie den armen Bert. Ich habe meine nach einigen furchtbaren Minuten mit meinem Baseballschläger kaputtgemacht, und Slim hat seine mit einer Reservefackel angesteckt und sie mit einer ausgebrannten niedergeprügelt. Dann sind wir durch ein Gitter in der Kammerdecke an die Oberfläche entkommen. Wir waren im Hinterhof unseres Wohnblocks, und da es schon dunkel war, haben wir den Schacht so leise wie möglich mit dem Sperrholz vom Nachbarn gefüllt und ein paar Sack Zement hinein-gekippt. Damit er da nicht herauskommt. Der Nobber, meine ich.
Ja, ich weiß, dass das eine Straftat war, die dem Stadtetat zusetzen wird. Aber Sie müssen unsere Panik verstehen. Wenn wir gekonnt hätten, hätten wir alle Kanalöffnungen dichtgemacht. Und die werden ja sowieso nicht mehr wirklich genutzt.
Schon gut, ich weiß. Darüber wird verhandelt, wenn es soweit ist.
Wie auch immer. Die nächsten Wochen waren ruhig. Slim und ich haben nicht darüber geredet, über das, was wir gesehen haben. Und jetzt wird es noch viel unglaublicher. Ja, im Ernst. Sie brauchen gar nicht zu lachen.
Wir bekamen Besuch von zwei Mädchen, die mit uns im Block wohnten. Nee, die haben wir vorher nicht so wirklich gekannt.
Nur vom Sehen. Also die kamen vorbei und faselten von Angst haben und nicht alleine sein wollen. Ich fragte sie, wovor sie Angst hatten, und sie sagten: vor einem hässlichen, buckligen, stinkenden Mann, der sie im Park verfolgt hatte. Die Beschreibung passte auf den Nobber, also haben wir die Mädels aufgenommen. Wir mussten allerdings feststellen, dass die Frauen ebenfalls vom Nobber kamen. Und sie sahen menschlich aus. Bis zu einem gewissen Punkt sogar attraktiv. Sie haben Slim erwischt, als ich gerade einkaufen war. Ich kam zurück und fand Slim in der Küche. Und im Bad und im Wohnzimmer.
Dann kamen sie aus einer dunklen Ecke auf mich zugesprungen und ich bin geflüchtet. Direkt in die Arme der Polizei. Wie Sie ja wissen.
Ja, die beiden sahen aus wie Frauen halt aussehen. Nur das normale Frauen einen nicht auffressen, wenn sie mit einem fertig sind. Ja, ich möchte diese Aussage so stehen lassen.
Und ich sage Ihnen folgendes: Der Nobber ist wieder da und er schleust überall seine Sexpuppen ein. Wenn Sie abends in der Bar von einer Frau angesprochen werden, halten Sie besser nach irgendwelchen verborgenen Nähten Ausschau.
Ich weiß, was ich gesehen habe. Und glauben Sie mir, ich kann es selbst kaum fassen. Ob ich der Täter bin?
Ja, klar. Dachte mir schon, dass es darauf hinausläuft. Nein, verdammt, ich habe meine Freunde nicht umgebracht und wahnsinnige Sexmonster hergestellt. Sehen Sie sich die Kanalisation an. Dort werden Sie einiges an Antworten finden.
Wie, ich werde abgeführt? Warum? Na schön. Im Knast kriegt der Nobber mich wenigstens nicht. Meinetwegen sitze ich auch ein paar Monate in der Klapse, bekomme Drogen und freundliche Leute, die auf mich aufpassen. Alles ist besser, als da draußen zu sein und den Nobber hinter sich zu wissen.
ZED
Spicy Mc Haggis - 10. Aug, 20:28